Wilde und zarte Zeiten

Wilde Zeiten brauchen starke Menschen!

Wie können wir unsere eigene Stärke geltend machen, in Situationen in denen es gefühlt leichter wäre aufzugeben?

 

In uns gibt es eine oft unbewusste Dynamik die uns das Gefühl gibt in unserem Leben, in bestimmten Situationen und in unterschiedlichen Beziehungen das Opfer zu sein.

Es ist dieses hilflose und ohnmächtige Gefühl, gepaart mit einer kaum auszuhaltenden Wut, das nach und nach zu einer diffusen Traurigkeit, Sinnlosigkeit und Verlorenheit führen kann.

Wenn wir nicht gelernt haben, diese Gefühle in unserem Körper und in unserem wachen Geist,  bewusst tragen zu können, dann fühlen wir uns als Opfer.

In diesen Momenten des Lebens verlieren wir den Blick auf  Wahlmöglichkeiten, um mit einer überfordernden Situation angemessen umzugehen.

 

Woher kommt es, dass wir in solchen Situationen dieser Hilflosigkeit scheinbar ausgesetzt sind?

 

Wir sind verletzliche und fühlende Wesen

Wir werden als körperlich und seelisch verletzliche Wesen geboren.

Alles was unsere Eltern und unsere Bindungspersonen fühlten, dachten, sprachen und wie sie handelten beeinflusste uns zutiefst in unserer emotionalen und körperlichen Entwicklung. Zum Positiven wie auch zum Negativen.

Und das nicht erst bei unserer Geburt, sondern schon im Mutterleib.

Unser Gehirn und Rückenmark sind bis zum Ende der 8. Schwangerschaftswoche fast vollständig angelegt und unser Nervensystem ist ein feiner sich schnell entwickelnder Sensor für allerlei Einflüsse in der  inner-psychischen, außeren und  körperlichen Lebenswelt der Mutter.

Babys sind 100% abhängig

Wir sind im Bauch unserer Mutter vollkommen abhängig, und damit auch den verschiedensten Umständen ausgeliefert.

Manchmal ist es so, dass ein ungeborenes Kind nicht gewollt ist und die Mutter an Abtreibung denkt, oder sogar auch versucht ihr Kind abzutreiben.

Es gibt viele Gründe warum ein Kind nicht willkommen ist. Manchmal reicht schon das „falsche“ Geschlecht zu haben.

Wenn wir davon ausgehen, dass ein Kind mit diesem feinen Nervensystem und in seiner Verletzlichkeit und Offenheit all diese Denk- und Gefühlskräfte der Mutter aufnimmt, ist es schon in der Tiefe beeinflusst und geprägt von einer Ablehnung der es nicht entkommen kann.

Wenn das Kind dann geboren wird, ist es vielleicht so, dass diese Ablehnung sich darin äußert, das die Mutter das Kind nicht wirklich in einer innigen Verbundenheit und Liebe in den Arm nehmen kann.

Das Baby ist auch hier wieder in einer existentiellen Abhängigkeit und kann der Situation nicht entkommen.

Es ist ein Opfer der Umstände und es kann nichts dafür, dass es dieses Grundbedürfnis nach Geborgenheit und Liebe nicht erfüllt bekommt.

Es bleibt innerlich alleine.

Diese Gefühle der Ablehnung, des nicht geliebt seins und des Alleinseins prägen sich tief in das Nervensystem ein. Ohne, dass wir uns als Erwachsene daran erinnern können geschehen diese Dinge im Laufe unserer frühen Kindheit.

Als Kinder werden viele von uns zu Opfern von Verhaltensweisen unserer Eltern die sie selbst nicht reflektieren wollen, oder können.

Wir werden zum Opfer von verschiedensten psycho-traumatischen Erfahrungen, ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein.

Kinder werden geschlagen, angeschrien, bedroht, emotional und körperlich missbraucht und vernachlässigt.

In den verschiedenen Erziehungseinrichtungen geht es auch heute noch hauptsächlich um Leistung, Konkurrenz und Anpassung an ein System was nicht gesund ist für ein ganzheitliches und individuelles Menschsein.

Wir alle sind auf irgend eine Art und Weise zum Opfer verschiedenster entwicklungstraumatischer Erfahrungen geworden, die uns unsere Würde und Freiheit genommen haben.

Heute sind wir erwachsen und finden uns immer wieder in Opfersituationen wieder, in denen unser Nervensystem anspringt, und Angst und Panik hervorbringt.

Der Chef sagt ein Wort, genauso wie es der wütende Vater immer gesagt hat und das Zittern im Inneren lässt sich nicht verdrängen.

Das Gefühl ein Opfer zu sein breitet sich aus und es gibt keine bewusste Verbindung hin zu den vergangenen Erfahrungen mit dem Vater.

Es gibt in diesem Moment scheinbar nur autonom ablaufende Reaktionen gegenüber dem Chef. Vielleicht wird der Mensch still und zieht sich innerlich komplett zurück und erstarrt emotional. So wie damals bei dem verbal gewalttätigen Vater der Kindheit.

Wenn diese Situationen sich häufen, fragen wir uns warum das so ist, und wir keine erwachsenen Umgang mit solchen Opfersituationen haben können.

Wir kommen uns unfähig vor, weil wir nicht anders handeln können.

Das ist der Lockdown in unserem Verstand, in unserem Nervensystem.

Das sind die Erfahrungen unserer Vergangenheit, die uns hilflos gegenüber den Autoritäten dieser Welt fühlen ließen.

Genau so wie heute.

Wir können nichts dafür, dass wir zu Opfern wurden. Der erste Schritt in Richtung Befreiung aus Opfer- und Täterstrukturen ist, diese zu erkennen und diese zu benennen.

Wenn Kinder zum Opfer werden, schämen sie und fühlen sich schuldig und unwert, sie werden so unbewusst zu Tätern an sich selbst, um das eigene Opferdasein auszuhalten. So entstehen Glaubenssätze wie : “ Ich bin schlecht und wertlos und niemand will mich“

Aus solch quälenden Verstrickungen auszusteigen bedarf es die eigene Verwundung und Verwundbarkeit aufzudecken. Und all dies Opfer- und Täteranteile in uns auf mitfühlende und geduldige Art und Weise zu integrieren.

Den Schatten der Vergangenheit begegnen

Manchmal haben wir angst den Schatten unserer Vergangenheit zu begegnen die uns immer wieder in eine Reinszenierung der traumatischen Erfahrung zwingen.

In diesen Zeiten werden wir alle darauf hingewiesen genau hinzuschauen. Uns stark für uns selbst zu machen und uns aus dem inneren Lockdown zu befreien und Verantwortung zu übernehmen für unsere gesundende  Verbindung mit uns selbst und anderen.

Uns stark zu machen bedeutet, uns  liebend und annehmend öffnen für all das Ungeliebte, Abgelehnte, Verlassene, Verleugnete und Geopferte in uns.

In dieser Selbstannahme entsteht eine Kraft die uns zu Helden für uns selbst macht!

In einer gesunden und selbstverbundenen Autonomie können wir aufstehen und unseren eigenen Weg gehen.

Nach oben scrollen